Morbi-RSA
In der Gesundheitswirtschaft:
Der Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Einführung des Gesundheitsfonds mit Beginn des Jahres 2009 zu einem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, dem so genannten Morbi-RSA, weiterentwickelt werden. Die entsprechende Grundlage hat der Gesetzgeber im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) gelegt.
Dazu heißt es im Sozialgesetzbuch (SGB) V § 268:
(1) Die Versichertengruppen nach § 266 Abs. 1 Satz 2 und 3 und die Gewichtungsfaktoren nach § 266 Abs. 2 Satz 3 sind vom 1. Januar 2007 an abweichend von § 266 nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden, die zugleich
1. die Morbidität der Versicherten auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationengruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar berücksichtigen,
2. an der Höhe der durchschnittlichen krankheitsspezifischen Leistungsausgaben der zugeordneten Versicherten orientiert sind,
3. Anreize zu Risikoselektion verringern,
4. keine Anreize zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungsausweitungen setzen und
5. 50 bis 80 insbesondere kostenintensive chronische Krankheiten und Krankheiten mit schwerwiegendem Verlauf der Auswahl der Morbiditätsgruppen zugrunde legen.
Die Vorbereitung des neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs obliegt dem Bundesversicherungsamt: Es sollte bis zum 1. Juli 2008 die Auswahl und Anpassung eines Versichertenklassifikationsmodells vornehmen, das unter Zuhilfenahme von Diagnosen und Arzneimittelverordnungen einzelner Versicherter eine möglichst genaue Schätzung zukünftiger Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten ermöglichen soll. Die Berechnung der morbiditätsorientierten Zuschläge aus dem Gesundheitsfonds soll jedoch nach der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) zunächst auf 50 bis 80 kostenintensive chronische oder schwerwiegende Krankheiten begrenzt sein. Diese Begrenzung wird auch als „Morbiditätsfilter“ bezeichnet. Berücksichtigt werden sollten außerdem nur solche Erkrankungen, „... bei denen die durchschnittlichen Leistungsausgaben der Betroffenen die durchschnittlichen Leistungsausgaben aller Versicherten um mindestens 50% übersteigen“.
Am 13. Mai 2008 hat das Bundesversicherungsamt diese nachfolgend wiedergegebene Liste der Krankheiten bekannt gegeben, die ab Anfang Januar 2009 im neuen, morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich für die Berechnung der Morbiditätsbelastung der einzelnen Krankenkassen berücksichtigt werden sollen:
1. HIV/AIDS
2. Sepsis/Schock
3. Nicht virale Meningitis/Enzephalitis
4. Infektionen durch opportunistische Erreger
5. Bösartige Neubildungen der Lippe, der Mundhöhle und des Pharynx
6. Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane
7. Bösartige Neubildungen der Atmungsorgane und sonstiger intrathorakaler Organe
8. Bösartige Neubildungen der Knochen, des Stütz- und Weichteilgewebes
9. Bösartige Neubildungen der Brustdrüse
10. Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane
11. Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane
12. Bösartige Neubildungen der Niere, der Harnwege und der Nebenniere
13. Bösartige Neubildungen des Auges, Gehirns und sonstiger Teile des Zentralnervensystems einschließlich Hypo- und Epiphyse
14. Bösartige Neubildungen sekundärer, nicht näher bezeichneter oder multipler Lokalisation
15. Lymphome und Leukämien
16. Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens
17. Diabetes mellitus
18. Schwerwiegende metabolische oder endokrine Störungen
19. Leberzirrhose (inkl. Komplikationen)
20. Chronische Hepatitis
21. Akute schwere Lebererkrankung
22. Ileus
23. Chronisch entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn / Colitis ulcerosa)
24. Erkrankungen des Ösophagus (exkl. Ulkus und Blutung)
25. Entzündung / Nekrose von Knochen / Gelenken / Muskeln
26. Rheumatoide Arthritis und entzündliche Bindegewebskrankheiten
27. Spinalkanalstenose
28. Osteoarthrose der großen Gelenke
29. Osteoporose und Folgeerkrankungen
30. Schwerwiegende Erkrankungen der Blutbildung und Blutgerinnung
31. Agranulozytose, septische Granulomatose, andere näher bezeichnete Erkrankungen der weissen Blutkörperchen
32. Disseminierte intravasale Gerinnung und sonstige Koagulopathien
33. Purpura / Thrombozytenfunktionsstörungen / Blutungsneigung
34. Delir und Enzephalopathie
35. Demenz
36. Schwerwiegender Alkohol- und Drogen-Missbrauch
37. Psychotische Störungen und Persönlichkeitsstörungen
38. Depression
39. Bipolare affektive Störungen
40. Anorexia nervosa und Bulimia nervosa
41. Aufmerksamkeitsstörung / attention deficit disorder / andere hyperkinetische Störungen
42. Ausgeprägte schwere Lähmungen
43. Erkrankungen/Verletzungen des Rückenmarks
44. Muskeldystrophie
45. Periphere Neuropathie / Myopathe
46. Entzündliche / toxische Neuropathie
47. Multiple Sklerose
48. Morbus Parkinson und andere Basalganglienerkrankungen
49. Epilepsie
50. Koma, Hirnödem, hypoxischer Hirnschaden
51. Sekundärer Parkinsonismus und andere extrapyramidale Bewegungsstörungen
52. Herzinsuffizienz
53. Akutes Lungenödem und respiratorische Insuffizienz
54. Hypertensive Herz- / Nierenerkrankung / Enzephalopathie
55. Ischämische Herzkrankheit
56. Erkrankungen der Herzklappen
57. Angeborene schwere Herzfehler
58. Hypertonie
59. Vorhofarrhythmie
60. Ventrikuläre Tachykardie
61. Schlaganfall und Komplikationen
62. Atherosklerose, periphere Gefäßerkrankung
63. Arterielles Aneurysma (exkl. d. Aorta)
64. Mukoviszidose
65. Emphysem / Chronische obstruktive Bronchitis
66. Asthma bronchiale
67. Postinflammatorische und interstitielle Lungenfibrose
68. Pneumonie
69. Niereninsuffizienz
70. Nephritis
71. Neurogene Blase
72. Bestehende Schwangerschaft (einschl. Komplikationen)
73. Hautulkus, exkl. Dekubitalulzera
74. Schwerwiegende bakterielle Hautinfektionen
75. Wirbelkörperfraktur (ohne Schädigung des Rückenmarks)
76. Luxation des Hüftgelenks
77. Traumatische Amputation einer Extremität
78. Schwerwiegende Komplikationen bei Patienten während chirurgischer oder medizinischer Behandlung
79. Blutung / Hämatom / Serom als Komplikation nach einem Eingriff
80. Status nach Organtransplantation (inkl. Komplikationen)
Auf der Basis dieses auf die ausgewählten Krankheiten eingeengten Klassifikationsmodells werden dann die Morbiditätszuschläge berechnet, die die Krankenkassen ab dem Jahr 2009 für den erhöhten Versorgungsbedarf der betreffenden Versicherten bekommen. Über diese Zuschläge werden die standardisierten Normkosten ausgeglichen. Dieser Zuschlag erhöht die nach Alter und Geschlecht differenzierten Grundpauschalen, die die Krankenkassen zur Versorgung aller Versicherten aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds wird nach Experten-Schätzungen voraussichtlich 150 bis 170 Euro pro Versicherten betragen.
Der neuen Morbi-RSA arbeitet im Gegensatz zum grundsätzlichen Modell des bisherigen RSA (interner Risikostrukturausgleich) nach dem Prinzip des externen Risikostrukturausgleichs. Hierbei werden die Zahlungen der GKV-Mitglieder ebenso wie andere Einnahmen der GKV an eine Geldsammelstelle geleitet, die gleichzeitig auch für die Durchführung des Risikostrukturausgleichs zuständig ist. Die Krankenkassen erhalten dann von dieser Geldsammelstelle (hier: Gesundheitsfonds) pro Versichertem bereits um die Ausgleichszahlungen gemäß RSA bereinigte Zahlungen überwiesen.
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