Arzneimittelstudien
In der Gesundheitswirtschaft:
Arzneimittelstudien werden zur Entwicklung und Zulassung von Medikamenten durchgeführt, um neue Krankheiten behandeln oder ein bereits bestehendes Medikament verbessern zu können.
Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels beinhaltet einen Prozess von mehreren hundert Einzelschritten und erstreckt sich über einen Zeitraum von rund zehn bis zwölf Jahren. Bevor ein neues Medikament am Menschen Anwendung findet, muss es zunächst intensiv im Labor und dann an Tieren auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hinsichtlich Giftigkeit und anderer möglicher Schadwirkungen getestet werden. Dies bezeichnet man als vorklinische Entwicklung. Nur wenn es sich dort bewährt, kann die Substanz am Menschen erprobt werden.
Die klinische Entwicklung eines Medikamentes gliedert sich grundsätzlich in drei Phasen:
• Phase I –
Erprobung mit Gesunden (Probanden)
• Phase II –
Erprobung mit wenigen Kranken
• Phase III –
Erprobung mit vielen Kranken
• In der Phase I wird bei ca. 60 bis 80 gesunden Freiwilligen geprüft, ob sich die Vorhersagen über den Wirkstoffkandidaten aus den Tierversuchen bestätigen lassen, beispielsweise über Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung, und wie der Wirkstoff vertragen wird. Darauf aufbauend wird die Art der Darreichung entwickelt, also ob das Medikament in Form von Tabletten, Zäpfchen, Injektionslösung, etc. verabreicht werden soll.
• Erstmals in Phase II werden Patienten in die Entwicklung miteinbezogen. Ärzte prüfen bei 100 bis 800 freiwilligen Patienten, ob sich der gewünschte therapeutische Effekt zeigt, achten aber gleichzeitig auch auf Nebenwirkungen und Dosierung.
• Ärzte und Kliniken in vielen Ländern erproben dann in Phase III das Arzneimittel an Tausenden freiwilligen Patienten um zu sehen, ob sich Wirksamkeit, Verträglichkeit und Dosierung auch bei vielen unterschiedlichen Patienten bestätigen lasst.
Damit es für jedermann transparent ist, welche Ergebnisse bei Arzneimittelstudien herausgekommen sind, werden dazu die Resultate sämtlicher forschenden Arzneimittelhersteller gemeinsam mit von Kliniken oder Arztpraxen durchgeführten Studien in öffentlich zugängliche Datenbanken gestellt (www.ifpma.org/clinicaltrials.html).
Waren alle Studien und Tests erfolgreich, kann der Hersteller bei den zuständigen Behörden die Zulassung des Arzneimittels beantragen. Für Europa geschieht dies seit 1995 zunehmend bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA mit Sitz in London. Mehr als 90 Prozent der neuen Medikamente, die derzeit auf dem europäischen Arzneimittelmarkt verfügbar sind, wurden von der EMEA zugelassen. Dabei kostet die Bearbeitung eines Antrages auf Erstzulassung für ein Arzneimittel mindestens 232.000 Euro und dauert bis zur endgültigen Zulassung durch die Europäische Kommission im Durchschnitt 16 Monate.
Der Antrag kann aber auch bei einer beliebigen nationalen Zulassungseinrichtung gestellt werden. In Deutschland sind dies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen. Die Zulassung basiert auf Grundlage des Arzneimittelgesetzes (AMG) und ist auf fünf Jahre befristet.
Nach erfolgreicher Zulassung wird das Arzneimittel auch weiterhin von Hersteller und Behörden aufmerksam beobachtet. Nicht alle Nebenwirkungen, z. B. sehr seltene (< 10.000), können vor der Zulassung erkannt werden. Zudem kann in weiteren Studien untersucht werden, wie sich das Arzneimittel bei speziellen Patientengruppen bewährt, oder man vergleicht es mit anderen Präparaten. Die Zeit nach Erstzulassung des Medikamentes wird auch als Phase IV bezeichnet.
Längst nicht jedes Projekt zur Entwicklung eines neuen Medikamentes endet mit der Markteinführung. Im Gegenteil, von den 5.000 bis 10.000 Anfangssubstanzen kommen durchschnittlich fünf in Phase I Studien am Menschen zur Erprobung und nur eine einzige erreicht später den Markt. Für die Entwicklung eines solch neuen Arzneimittels sind Ausgaben von durchschnittlich 800 Millionen US-Dollar erforderlich. In Deutschland wird Arzneimittelforschung ohne nennenswerte staatliche Forschungssubventionen fast ausschließlich von privaten Unternehmen finanziert.
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