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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Spieltheorie

Die Spieltheorie ist ein Forschungsbereich innerhalb der Wirtschaftswissenschaften. Sie versucht, aus dem strategischen und taktischen Verhalten von Karten- oder Schachspielern Rückschlüsse auf den Ablauf und die Ergebnisse wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen zu ziehen und so das Verhalten von Unternehmern, Gewerkschaften oder staatlichen Institutionen zu erklären. Die drei wichtigsten Vertreter der modernen Spieltheorie wurden 1994 für ihre Forschungsarbeiten mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.

In der Spieltheorie wird versucht, menschliches Verhalten in Spielsituationen, bei denen die Entscheidung nicht wie beim Lotto oder Würfeln allein auf dem Zufall beruht sondern von dem taktischen und strategischen Verhalten der Teilnehmer abhängig ist, mit Hilfe mathematischer Formeln zu erfassen. Die Ergebnisse werden dann auf wirtschaftliche, politische und militärische Prozesse übertragen und so nach Erklärungsmustern für das Verhalten von Unternehmern, Gewerkschaftern oder Politikern gesucht. Denn sowohl bei Spielen wie Schach, Poker oder Skat als auch bei ökonomischen Vorgängen hängt der Erfolg vom Informationsstand sowie von den richtigen oder falschen Entscheidungen der Beteiligten ab. Deshalb vertreten die Anhänger der Spieltheorie die Meinung, dass beim Spiel ebenso wie beim Wettbewerb im Markt vergleichbare Strategien angewendet werden. Da sich das Verhalten von Schach- oder Skatspielern leichter beobachten, analysieren und mathematisch erfassen lässt als die Strategien der Teilnehmer am Wirtschaftsprozess, haben die Vertreter der Spieltheorie diesen Weg gewählt.

In der Realität sind selbst bei zunächst sehr einfach erscheinenden "Pokersituationen" viele Personen und Interessengruppen am Spiel um Geld, Macht und Arbeitsplätze beteiligt. So sitzen sich bei den jährlichen Auseinandersetzungen um einen neuen Tarifvertrag zwar nur zwei Parteien - nämlich die Vertreter des Arbeitgeberverbandes und der zuständigen Gewerkschaft - gegenüber und versuchen beim Poker um Lohnprozente ein aus ihrer jeweiligen Sicht möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen. Jede Seite wartet dabei mit den wirtschaftlichen Daten auf, die ihre Position untermauern. Sie bringt die möglichen Folgen für den Arbeitsmarkt mit ins Spiel, droht mit Streik oder Aussperrung. Warnstreiks auf der einen Seite und Meldungen über drohende Entlassungen auf der anderen Seite gehören ebenfalls zu den taktischen Spielzügen der jeweiligen Seite.

Aber es wirken auch interessierte Außenstehende auf den Spielverlauf ein, indem sie vor den ökonomischen Folgen zu hoher/niedriger Abschlüsse warnen und die möglichen Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung beschreiben. Dazu gehört neben den Wirtschaftspolitikern der verschiedenen Parteien zum Beispiel auch der Sachverständigenrat.

Wenn das Spiel am Tisch der Tarifvertragsparteien beendet ist, geht es im Bereich der Unternehmer weiter. Sie werden versuchen, die höheren Kosten auf ihre Kunden abzuwälzen - oder zum Ausgleich bei den Lieferanten Zugeständnisse herauszuholen. Aber wie reagieren die Kunden und die Konkurrenten auf Preiserhöhungen? Welcher Strategie folgen die ausländischen Anbieter? Nutzen sie die Chance, zusätzliche Marktanteile zu erobern oder freuen sie sich nur, dass sie angesichts der durch zu hohe Lohnforderungen ausgelösten Preissteigerungen ihre eigene Preise und damit ihre Gewinne ohne das Risiko von Absatzverlusten erhöhen können?

Beim so genannten "Nullsummenspiel" kann der eine nur verlieren, was der andere gewinnt. Wenn beispielsweise - wie 1994 in London geschehen - ein großer Verlag den Zeitungspreis drastisch senkt und dadurch Leser in großer Zahl von Konkurrenzblättern gewinnt, dann steigt seine Auflage im gleichen Maße, wie die anderen Zeitungen an Käufern verlieren: ein Nullsummenspiel. Ziehen diese nach, stellt sich schon bald das alte Lese- und Kaufverhalten wieder ein. Bei den Auflagen also weiterhin ein Nullsummenspiel. Bei den Erlösen und Gewinnen dagegen büßen nun alle wegen der stark gesunkenen Verkaufspreise ein. Das könnte nur dann ausgeglichen werden, wenn alle wegen der niedrigen Preise mehr Zeitungen verkauften oder sich das Anzeigengeschäft verbesserte. Das könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn die steigenden Auflagen der Printmedien dazu führen, dass die Werbekunden mehr Zeitungsinserate buchen und dafür ihre TV-Werbung einschränken. Das wiederum wird die Fernsehanstalten dazu bringen, eine Gegenstrategie zu entwickeln.

Um derartige Situationen theoretisch erfassen und auch Verhaltensstrategien für die Beteiligten entwickeln zu können, wurde die Spieltheorie über das simple Nullsummenspiel hinaus weiterentwickelt. Der Amerikaner John Nash, der zusammen mit dem Bonner Wirtschaftswissenschaftler und Mathematiker Reinhard Selten sowie seinem Landsmann John Harsanyi dafür 1994 den Nobelpreis erhielt, hat auf der Basis spieltheoretischer Beobachtungen den Nachweis erbracht, dass es in solchen Situationen Lösungen gibt, die zwar für keinen der Beteiligten befriedigend sind, aber statt zu einem ruinösen Kampf um Kunden und Preise zu einer stabilen Situation führen, dem so genannten Nash-Gleichgewicht.

Voraussetzung dafür ist, dass alle Spieler über die gleichen Informationen verfügen, ihre Erwartungen erfüllt werden und alle einer optimalen strategischen Linie folgen. Diese Bedingungen sind allerdings nur auf wenigen Märkten erfüllt. Dieser theoretische Ansatz kann zudem irrationale Verhaltensweisen, also zum Beispiel Reaktionen die auf Ehrgeiz oder verletzte Eitelkeit zurückzuführen sind sowie die Folgen falscher Entscheidungen, die nur mit der Dummheit von Beteiligten zu erklären sind, nicht erfassen. Auch die Möglichkeit, den stabilen Zustand dadurch zu erhalten, dass die Beteiligten ihr Verhalten durch Verträge festlegen ist vielfach in der Realität nicht gegeben, weil dies durch das Wettbewerbsrecht verboten wird. Darauf versucht die Theorie der nicht-kooperativen Spiele eine Antwort zu finden.



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