Derivate, Systemrisiko
I. Ggs. z. einzelwirtschaftlichen Risiken aus Derivaten solche auf der Makro- (gesamt-wirtschaftlichen)ebene im Zusammenhang mit der Expansion des derivativen Geschäfts der Aspekt, dass sich wirksam werdende einzelbetriebliche Risiken wegen der Verkettung von Finanzmärkten, Kontrahenten und Geschäften nicht mehr nur beschränkt auf einzelne Marktteilnehmer auswirken, sondern auch Marktteilnehmer betreffen können, die sehr andere risikopolitische Strategien verfolgen oder ganz anders engagiert sind (Dominoeffekt). Die Bundesbank, die intensiv diese Zusammenhänge beleuchtet, weist hinsichtl. des Zusammenhangs zwischen Finanzmarktstabilität und derivativen Instrumenten indes darauf hin, dass Derivate durch Verbesserung der Finanzmarkteffizienz schnellere Reaktionen der Assetpreise auf Änderungen der Faktoren bewirken (können), die Angebot und Nachfrage beeinflussen. Derivate haben somit lt. Bundesbank unter normalen Marktbedingungen die Tendenz, die Widerstandsfähigkeit von Finanzmärkten gegenüber Schocks zu verbessern; dies auf Grund ihrer Eigenschaften, die allgemeine Marktliquidität zu verstärken und Risiken von risikoanfälligeren Marktteilnehmern auf solche zu übertragen, von denen anzunehmen ist, dass sie sie besser tragen können. Zudem - so die Bundesbank weiter - verbessern Derivate über die Verstärkung der Bindungen zwischen Finanzmärkten Dispersion und Dämpfung von Schocks, die ein Marktsegment betr. Die Bundesbank leitet hieraus verschiedene, - insg. von ihr als positive bzw. stabilisierende angesehene - Auswirkungen ab: 1. Förderung der Liquidität und Effizienz in den Märkten der Underlyings; dabei können Auswirkungen der Einführung von Derivatemärkten auf die Marktliquidität über Veränderungen derBid/Askspreads und Handelsvolumina erkannt werden. Die Bundesbank verweist dazu auf empirische Ergebnisse, wonach i. A. die Bid/Askspreads bei den zu Grunde liegenden Wertpapieren nach Notierung entspr. Derivate sinken. 2. Erhebliche Förderung von Arbitrage-, Hedging-, Finanzierungs- und Anlagestrategien, die verschiedene Marktsegmente verknüpfen. I. Hinbl. a. die Empfindlichkeit des Finanzsystems insg. gegenüber Marktstörungen können nach Einschätzung der Bundesbank solche Verbindungen und die Verfügbarkeit substitutiver Hedgingmärkte als Sicherheitsventil funktionieren, und durch Verfügbarmachung alternativer Angebotsund Nachfragequellen können Preisänderungen zwischen Märkten transmittiert werden, was sich lt. Bundesbank auch in Diffusion von Marktstörungen auswirken kann. 3. Erleichterung der Umverteilung von Risiken in gesamtwirtschaftlicher Sicht. In dem Ausmass, in dem Risiko von Marktteilnehmern, die es weniger gut tragen können, auf solche übertragen wird, die dies besser können, sieht die Bundesbank die Fragilität des Finanzsystems vermindert. Die Bundesbank betont, dass diese Aspekte zumind. bei normalen Marktbedingungen Derivate dazu beitragen lassen, Preise von Finanzaktiva in Kongruenz mit fundamentalen Daten zu halten und somit Finanzmärkte zu stabilisieren und dass intensive Verwendung von Derivaten die Gesamtrisikotragungskapazität von Finanzmärkten und Volkswirtschaft als Ganzes verbessern können. Die Kehrseite, die die Bundesbank ebenso betont: In angespannten Matkt- (Stress-, Krisen-)situationen können Derivate kurzfristige Preisänderungen übertreiben, also Overshoo-ting bewirken. Als Anknüpfungspunkte für Letzteres erwähnt die Bundesbankl vor allem: 1. Das dynamische Hedging - d. h. permanente Revisionen von Hedgingpo-sitionen - erfordert Käufe der Underlyings in Märkten bei Preissteigerungen und Verkäufe bei -rückgängen, was nach Sicht der Bundesbank einen anfänglichen Preisschock verursachen kann, der über Rückkopplungseffekte verstärkt wird. 2. Hedgingüberhänge können lt. Bundesbank in Situationen auftreten, in denen Hedgingtransak-tionen, die für ein einzelnes Unternehmen in normalen »zweiseitigen« Märkten hochgradig effizient sind, für starke Preisbewegungen sorgen, weil sie durch sehr viele Marktteilnehmer gleichzeitig vorgenommen werden.
3. Margin- und Besicherungsforderungen auf Derivatepositionen in Perioden verstärkter Volatilität können die Liquidierung sowohl von derivativen als auch von Under-lyingpositionen mit entspr. Preiseffekten erzwingen.
Pricing und Trading von Derivaten basiert lt. Bundesbank im Prinzip auf Annahmen zu Preisveränderungen mit gut definierbaren statistischen Verteilungen, dass somit das vergangene Preisverhalten hinlänglich indikatorisch für künftige Volatilitätsmuster ist und dass die Un-derlyingmärkte kontinuierlichen Handel möglich machen. Solche Annahmen können - so die Bundesbank -aber durchaus in Marktstressperioden, in denen Bewertungsunsicherheiten hervorgerufen, Bid/Askspreads an Derivatemärkten ausgeweitet werden und ggf. Marktliquidität schwindet, obsolet werden, wobei sich in besonders widrigen Perioden solche Effekte wechselseitig inten- sivieren können. Allerdings - so die Bundesbank weiter -ruft Derivathandel nicht per se Marktturbulenzen hervor, sondern solche werden i. d. R. vom Kassamarkt insb. von Variationen fundamentaler Daten bzw. Korrekturen spekulativ dominierter Preise (Speculativebubbles) ausgehen; aber auch wenn Derivate hierbei offens. keine kausale Verursachung implizieren, können sie resultierende Marktpreisbewegungen vergrössern.
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