public choice
In der Wirtschaftssoziologie:
(engl.), auch: social choice Entscheidungen, kollektive
theoretisches Konzept zur Erklärung nicht marktlicher Entscheidungsprozesse mit Hilfe des Instrumentariums der ökonomischen Analyse, das eigenständig erst seit Beginn der 60er Jahre existiert (Neue Politische Ökonomie). Die mikroökonomische Basis des public-choice-Konzepts wird deutlich, indem die üblichen Verhaltensannahmen mikroökonomischer Modelle (z.B. Maximierung von Nutzen) sowie die gleichen Fragestellungen (z.B. nach Gleichgewicht) verwendet werden. Im Vordergrund steht die Analyse politischer Prozesse in demokratischen und nicht demokratischen Staaten. Die Notwendigkeit zur politischen Koordination des Verhaltens der beteiligten Individuen ergibt sich zum einen aus der Eigenschaft der angebotenen und nachgefragten öffentlichen Güter, die eine marktliche Versorgung nicht zulassen, zum anderen aus der nicht mehr überschaubaren Zahl der beteiligten Akteure, welche die Konsequenzen individueller Handlungen nicht unmittelbar deutlich werden läßt. Breiten Raum nimmt in diesem Rahmen die Analyse von Abstimmungsregeln (z.B. die Einstimmigkeit, Mehrheitswahl) oder von Wahlvorgängen überhaupt ein (z.B. das ARROW-Paradoxon oder der Stimmentausch-Prozeß). Der politische Prozess gewinnt zusätzliche Dimensionen, wenn nicht vom Modell unmittelbarer Entscheidungsbeteiligung ausgegangen wird, sondern repräsentative Wahlsysteme betrachtet werden. In den Vordergrund rückt dabei der Politiker mit seinen individuellen Präferenzen, die sein Verhalten bestimmen. Prozesse der Parteien- und Koalitionsbildung werden nun sehr relevant, und es stellt sich das Problem, das jeweilige politische Programm so auf die vermeintlichen Wählerwünsche auszurichten, dass die zum Erreichen der politischen Macht erforderliche Mehrheit gewonnen wird (politisch-ökonomische Modelle). Eine weitere Besonderheit ergibt sich, wenn bei kleinen, überschaubaren Gruppen von Individuen Abstimmungsprozesse über die sog. quasi-öffentlichen Güter untersucht werden. Bei der Bestimmung der optimalen Gruppengröße müssen dann positive Einflüsse eine Zunahme der Mitgliederzahl (auf niedrige Kostenbelastung für den einzelnen) gegen negative Auswirkungen (Nutzenminderung infolge Ballung) abgewogen werden. Durch die Möglichkeit des Gruppenwechsels ergibt sich neben der Stimmabgabe bei Wahlen eine weitere Möglichkeit zur Artikulierung individueller Präferenzen: Unzufriedene Mitglieder wandern ab. Darüber hinaus wird eine dritte Möglichkeit zur Durchsetzung politischer Vorstellungen, nämlich die Revolution, in public choice analysiert (Gordon TULLOCK). Mit diesen Untersuchungsobjekten ist der Rahmen des public-choice-Ansatzes abgesteckt. In einem weiteren Verständnis werden zur public-choice-Richtung auch Teilbereiche der Theorie - öffentlicher Güter, der Verfassungstheorie in der Tradition der Staatsvertragstheorie sowie neue Ansätze der Theorie der sozialen Wohlfahrtsfunktionen hinzugerechnet. Dadurch werden neben den allokativen Aspekten, die das public-choice-Konzept im engeren Sinn dominieren, auch distributive Aspekte in die Betrachtung miteinbezogen. In jüngster Zeit hat sich die public-choice-Analyse nicht nur auf die Handlungsträger (Regierungen, Bürokratien, Wähler, Interessengruppen) in Ländern erstreckt, sondern sich auch auf die Analyse internationaler Organisationen und wirtschaftspolitischer Zusammenhänge zwischen Ländern ausgeweitet (z.B. die Vergabe von Entwicklungshilfe oder die Entscheidung über Direktinvestitionen in Entwicklungsländern). Auch diese Ansätze sind vielversprechend. Literatur: Vaubel, R., Willett, Th.D. (1991). Mueller, D.C. (1989). Schneider, F. (1985). Bernholz, P., Breyer, F. (1984). Buchanan, J.M., Tullock, G. (1962)
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