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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Bundesgerichtshof (BGH)

Der Bundesgerichtshof ist als oberster Gerichtshof für Zivil- und Strafsachen höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Durch seine Entscheidungen soll insbesondere eine einheitliche Rechtsanwendung erreicht werden. Vor allem auf dem Gebiet des Strafrechts ist aber auch der Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit von hoher Bedeutung. Darüber hinaus sind in Staatsschutz-Strafsachen Richter am Bundesgerichtshof als Ermittlungsrichter zuständig, wenn der Generalbundesanwalt die Ermittlungen führt. Der Bundesgerichtshof hat seinen Sitz in Karlsruhe - der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ist allerdings ausgegliedert in Leipzig.

Der Bundesgerichtshof (BGH) [Anschrift] wurde am 1. Oktober 1950 in Karlsruhe errichtet. Er ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, d.h. der Zivil- und Strafrechtspflege, die in den unteren Instanzen von den zur Zuständigkeit der Länder gehörenden Amts-, Land- und Oberlandesgerichten ausgeübt wird Neben dem Bundesgerichtshof bestehen als oberste Gerichtshöfe des Bundes noch das Bundesverwaltungsgericht in Berlin (künftig in Leipzig), der Bundesfinanzhof in München, das Bundesarbeitsgericht in Erfurt und das Bundessozialgericht in Kassel.

Aufgaben und Organisation

Der Bundesgerichtshof ist - bis auf wenige Ausnahmen - Revisionsgericht. Er hat deshalb neben der Wahrung der Gerechtigkeit im Einzelfall vor allem die Sicherung der Rechtseinheit und die Fortbildung des Rechts zur Aufgabe. Seine Arbeit beschränkt sich deshalb grundsätzlich auf die Nachprüfung der rechtlichen Beurteilung eines Falles durch die Vorinstanzen. Beweisaufnahmen finden (außer bei Patentsachen) beim Bundesgerichtshof nicht statt. Der Bundesgerichtshof hat rund 420 Bedienstete. An der Spitze steht der Präsident, der eine doppelte Stellung einnimmt. Zum einen ist er Dienstvorgesetzter der Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter des Bundesgerichtshofes, zum anderen ist er in seiner Funktion als Richter - kraft Gesetzes - Vorsitzender des Anwaltssenats, der Großen Senate für Zivil- und Strafsachen und der Vereinigten Großen Senate sowie - traditionsgemäß - Vorsitzender des Kartellsenats.

Der Bundesgerichtshof ist in 12 Zivilsenate und 5 Strafsenate mit insgesamt 123 Richtern aufgegliedert. Hinzu kommen 8 Spezialsenate (die Senate für Landwirtschafts-, Anwalts-, Notar-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen, der Kartellsenat und das Dienstgericht des Bundes). Den Zivil- und Strafsenaten sind im Durchschnitt 7 Richter zugewiesen, wobei an den einzelnen Entscheidungen grundsätzlich nur 5 Richter mitwirken (ein Vorsitzender Richter und vier Beisitzer); die Besetzung der "Richterbank" wird im vorhinein durch einen internen Geschäftsverteilungsplan, den der jeweilige Senat beschließt, festgelegt. Vier Richter am Bundesgerichtshof sind neben ihrer Senatstätigkeit zu Ermittlungsrichtern bestellt. Sie treffen die richterlichen Entscheidungen (z.B. Haftsachen) bei den Ermittlungsverfahren, die vom Generalbundesanwalt geführt werden, also insbesondere in Landesverrats- und anderen Staatsschutzsachen sowie bei Verfahren wegen Bildung terroristischer Vereinigungen.

Für den Fall, dass einzelne Senate in derselben Rechtsfrage zu unterschiedlichen Ansichten gelangen, sind zur Wahrung der Rechtseinheit am Bundesgerichtshof ein Großer Senat für Zivilsachen, ein Großer Senat für Strafsachen sowie - für den Fall einer Divergenz zwischen Zivil- und Strafsenaten - die Vereinigten Großen Senate eingerichtet, denen die Rechtsfrage bei fortbestehender Uneinigkeit zur Entscheidung vorgelegt werden muss. Bei einer Divergenz zwischen den obersten Gerichtshöfen des Bundes entscheidet der Gemeinsame Senat dieser Gerichtshöfe, der seinen Sitz ebenfalls in Karlsruhe hat.

Die Besetzung der einzelnen Senate und die Verteilung der richterlichen Aufgaben auf die einzelnen Senate ist in dem Geschäftsverteilungsplan bestimmt, den das Präsidium des Bundesgerichtshofes, das aus dem Präsidenten und acht von allen Richtern gewählten Richtern besteht, vor dem Beginn eines jeden Geschäftsjahres für dessen Dauer beschließt.

Richterwahl

Die Richter des Bundesgerichtshofes werden durch den Bundesminister der Justiz gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss berufen und vom Bundespräsidenten ernannt. Der Richterwahlausschuss hat 32 Mitglieder. Ihm gehören die für die Justiz zuständigen Minister der 16 Bundesländer sowie weitere 16 Mitglieder an, die vom Deutschen Bundestag gewählt werden, ihm aber nicht angehören müssen. Ist die Wahl neuer Bundesrichter erforderlich, wird der Richterwahlausschuss vom Bundesminister der Justiz einberufen. Vorschlagsberechtigt sind der Bundesminister der Justiz und die Mitglieder des Wahlausschusses. Gewählt werden kann jeder Deutsche, der die Befähigung zum Richteramt besitzt und das 35. Lebensjahr vollendet hat. Meist werden Richter gewählt, die sich in den unteren Instanzen, insbesondere an den Oberlandesgerichten, bewährt haben. Der Wahlausschuss wählt die Richter mit einfacher Mehrheit. Dabei wird neben der persönlichen und fachlichen Eignung auch darauf geachtet, dass die einzelnen Bundesländer in etwa entsprechend ihrer Bevölkerungszahl berücksichtigt werden.

Verfahren

ZivilsachenDas Rechtsmittel der Revision findet in Zivilsachen grundsätzlich gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile der Oberlandesgerichte statt. Die Revision ist stets statthaft, wenn das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat oder wenn in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die unterlegene Partei mit mehr als 30.000 Euro belastet ist. Im zweiten Fall kann der Senat mit einer Mehrheit von zwei Drittel der Stimmen die Annahme der Revision ohne Begründung ablehnen, wenn die Sache keine grundsätzliche Bedeutung und das Rechtsmittel im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg hat.

In allen nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten (z.B. Ehe- und Kindschaftssachen, Ehrverletzungen) kann Revision nur eingelegt werden, wenn das Oberlandesgericht sie in seinem Urteil zugelassen hat. Dies hat zu geschehen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Oberlandesgericht in seinem Urteil von einer früheren Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweicht. An die Zulassung ist der Bundesgerichtshof gebunden. Gegen die Nichtzulassung steht der betroffenen Partei kein Rechtsmittel zu.

StrafsachenIn Strafsachen entscheidet der Bundesgerichtshof über Revisionen gegen erstinstanzliche Urteile der Land- und Oberlandesgerichte. Dazu zählen u.a. die so genannten Kapitalverbrechen, die vor den Schwurgerichtskammern des Landgerichts verhandelt werden, sowie alle anderen Straftaten von einigem Gewicht, bei denen zum Zeitpunkt der Anklageerhebung beim Landgericht aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder die Verhängung von Sicherungsverwahrung zu erwarten war. Ferner gehören hierher alle Staatsschutzdelikte, die im ersten Rechtszug entweder vor der Staatsschutzkammer eines Landgerichts oder aber, wie auch die Verfahren gegen terroristische Vereinigungen, vor dem Strafsenat eines Oberlandesgerichts zur Anklage gebracht worden sind.

Mit der Revision können sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft die Verletzung einer Norm des materiellen Strafrechts oder des Verfahrensrechts rügen. Hält der Senat einstimmig eine Revision für offensichtlich unbegründet oder eine zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision für offensichtlich begründet, kann er ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entscheiden. In den übrigen Fällen wird über das Rechtsmittel aufgrund einer Hauptverhandlung vor dem Senat durch Urteil entschieden.

VorlegungsverfahrenZur Vereinheitlichung des Rechts hat der Gesetzgeber in verschiedenen Verfahrensarten Vorlagepflichten für die betroffenen Gerichte vorgesehen, die immer dann zu einer Vorlage des Rechtsstreits beim Bundesgerichtshof führen, wenn ein Oberlandesgericht von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen will.

Parteienvertretung

Der Generalbundesanwalt nimmt in Revisionsstrafsachen die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben bei der Verhandlung und Entscheidung des Bundesgerichtshofes wahr. Beim Bundesgerichtshof besteht eine eigene Anwaltschaft, weil sich in den zivilrechtlichen Revisionsverfahren die Parteien durch einen der 30 (nur) beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte vertreten lassen müssen.

Verfahrensdauer

In Zivilverfahren ist in den letzten Jahren ein steter Anstieg der Eingangszahlen zu verzeichnen. Im Jahr 1999 sind beim Bundesgerichtshof 4.408 Revisionen eingegangen. Die Dauer der erledigten Revisionen beträgt in ca. 30 Prozent aller Fälle weniger als sechs Monate und in ca. 71 Prozent aller Revisionen weniger als ein Jahr. In Strafsachen hat sich die Zahl der Neueingänge in den letzten Jahren auf dem hohen Niveau von etwa 3.500 Rechtssachen stabilisiert. Von den durch Urteil entschiedenen Revisionen wurden 1999 ca. 67 Prozent innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten und weitere 27 Prozent innerhalb von 6 Monaten nach dem Eingang der Akten beim Bundesgerichtshof abgeschlossen.

Bibliothek / Veröffentlichungen

Der Bundesgerichtshof verfügt über die größte Gerichtsbibliothek der Bundesrepublik Deutschland mit einem Bestand von heute insgesamt ca. 483.000 Einheiten. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden ihr die Bestände der Bibliothek des Obersten Gerichts der DDR übertragen, darunter viele historisch wertvolle Werke aus der Bibliothek der früheren Reichsgerichtsbibliothek.

Seit 1986 ist die Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes für die Aufnahme von Entscheidungen sämtlicher Instanzen aus dem Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit in die juris-Rechtsprechungsdatenbank zuständig. Jährlich werden ca. 14.000 Entscheidungen aus diesem Bereich neu in die Datenbank eingegeben; hierzu werden ca. 180 Fachzeitschriften ausgewertet.



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