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über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Atomenergie

(auch Kernenergie). In Atomkraftenwerken gewonnene Energie durch Kernspaltung von Uran. Die Umwandlung der aus der Kernspaltung resultierenden Wärme in elektrische Energie erfolgt wie bei allen anderen thermischen Kraftwerken (Öl-, Gas- oder Kohlekraftwerken) nach demselben Prinzip, wonach Wasserdampf über Turbinen Generatoren antreibt. Für den Betrieb in Leichtwasserreaktoren ist eine Anreicherung des spaltbaren Anteils des Urans notwendig. Das angereicherte Uran, umgewandelt in Uranoxidpulver und zu Tabletten gepreßt, wird in Brennstäben verschweißt und zu einem Brennelement zusammengefaßt, um anschließend im Reaktor gespalten zu werden. Verbrauchte Brennelemente werden bis zum Abtransport in einem Wasserbecken gelagert. wobei sie einen Teil ihrer Aktivität verlieren, bevor sie wiederaufbereitet bzw. endgelagert werden. Neben der zur Energieerzeugung notwendigen Wärme entsteht bei der Kernspaltung hochradioaktives Strahlenmaterial mit erheblicher schädlicher Wirkung auf lebende Zellen. Bei stark bestrahlten Lebewesen kann eine Häufung von Krankheiten (u. a. Krebs) und Veränderungen der Erbanlagen festgestellt werden. Der Anteil an der öffentlichen Stromversorgung beträgt in Deutschland etwa ein Drittel. Der weltweite Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung beträgt etwa 17 Prozent.

Die Atomenergie ist neben Stein- und Braunkohle der wichtigste Energieträger zur Stromerzeugung in Deutschland. Derzeit decken die 19 in Deutschland betriebenen Kernkraftwerke gut ein Drittel des Stromverbrauchs. Die neue Bundesregierung hat den Ausstieg aus der Atomenergie im Koalitionsvertrag festgehalten. Wegen "großer Sicherheitsrisiken" und der "Gefahr unübersehbarer Schäden" sei die Atomenergie nicht zu verantworten. Die Koalition begründet den Ausstieg mit der Gefahr kerntechnischer Anlagen und den Schwierigkeiten der sicheren Entsorgung von Atommüll.

Atomenergie wird durch die Spaltung eines Atomkernes der Ausgangsmaterialien Uran (235, 238) oder Plutonium 239 gewonnen. Bei der Spaltung fallen radioaktive Abfallprodukte an.

Die Energiegewinnung durch Atomspaltung stützt sich auf das Konzept des Kernbrennstoffkreislaufes. Dieses Konzept ist im Atomgesetz festgelegt. Die Entsorgung abgebrannter Brennelemente ist danach Teil des Kernbrennstoffkreislaufes. Die Kraftwerkbetreiber müssen nachweisen, dass abgebrannte Brennelemente sicher verwahrt werden. Geregelt ist der Nachweis über den sicheren Verbleib bestrahlter Brennelemente über einen Zeitraum von sechs Jahren. Die Behandlung der abgebrannten Brennelemente richtet sich im Atomgesetz nach dem Verursacherprinzip. Die Kraftwerksbetreiber sind als Abfallverursacher primär für die Entsorgung radioaktiver Abfälle verantwortlich - mit Ausnahme der Endlagerung. Etwa 55 bis 60 Prozent der Kosten, die im Kernbrennstoffkreislauf von den Betreibern getragen werden müssen, entfallen auf die Entsorgung der Brennelemente, etwa 40 bis 45 Prozent auf die Herstellung des eigentlichen Brennstoffs. Die zwei Wege, den Nachweis einer gesicherten Entsorgung zu erbringen, sind die Wiederaufbereitung im Ausland und die direkte Endlagerung.

Wiederaufbereitung

In Deutschland fallen jährlich etwa 450 bis 500 Tonnen abgebrannte Brennelemente an. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen stützen die Entsorgung der Brennelemente ausnahmslos auf die Wiederaufbereitung. Die Verträge mit den Firmen Cogema, Betreiberin der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague und British Nuclear Fuels Limited (BNFL) im britischen Sellafield decken alle anfallenden Brennelemente ab. Sie werden zu zwei Dritteln in Frankreich, zu einem Drittel in Großbritannien aufbereitet. In Wiederaufbereitungsanlagen können die radioaktiven Abfallprodukte zum großen Teil zu wiederverwertbaren Stoffen zerlegt und erneut als Brennelemente eingesetzt werden. Zentral ist bei der Wiederaufbereitung die Abtrennung von Plutonium und Uran aus den abgebrannten Brennelementen. Ursprünglich sollte das abgetrennte Plutonium als Brennmaterial im Schnellen Brüter eingesetzt werden. Der Bau dieses Kraftwerkstyps, der eine um 60 Prozent höhere Energieeffizienz versprach, wurde jedoch nie fertiggestellt. Das Projekt Kalkar, einziger Versuch, den schnellen Brüter in Deutschland zu bauen, verkam zur Investitionsruine. Zu hohe Kosten und Sicherheitsbedenken bedeuteten das Aus.

Das Konzept der Wiederaufbereitung wurde also unter anderen Voraussetzungen begründet, als sie heute vorliegen. Als Überschuss liegen heute etwa 30 Tonnen waffenfähiges Plutonium und noch größere Mengen Uran bei den Wiederaufbereitungsanlagen auf Halde, die nicht als Brennstoffe verwendet werden.

Als Nebenprodukt fallen in der Wiederaufarbeitung radioaktive Abfälle an, die vor Ort abgetrennt, verglast und in geeigneten Behältern eingeschlossen werden. Der so verschlossene Atommüll kann in ein Endlager überführt werden. Die deutschen Kraftwerksbetreiber sind vertraglich verpflichtet, den anfallenden Atommüll zurückzunehmen.

Die rot-grüne Bundesregierung will die Wiederaufarbeitung mit einer Novelle zum Atomgesetz verbieten. Die Regierung und die Betreiber haben sich darauf verständigt, das Verbot zur Wiederaufbereitung solange auszusetzen, bis in der Bundesrepublik genügend Zwischenlager bereit stehen. Die privatwirtschaftlichen Verträge sind zwischen den beiden ausländischen Betreiberfirmen und der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen geschlossen worden.

Zusätzlich sind zwischen den Regierungen von Frankreich, Großbritannien und Deutschland Vereinbarungen getroffen worden. Hierin haben sich die Regierungen verpflichtet, Lieferung und Transport von abgebrannten Brennelementen nicht durch rechtliche oder verwaltungsmäßige Mittel zu behindern. Ob durch die Aufkündigung der Verträge Schadenersatzforderungen fällig werden, ist strittig. Die Vereinbarungen wurden vom ehemaligen Bundesaußenminister Klaus Kinkel getroffen, an ihrem Zustandekommen war das Parlament nicht beteiligt. Der Bundestag kann also aus Gründen der Gewaltenteilung nicht daran gehindert werden, einen gesetzlichen Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung zu beschließen. Sollte es infolge einer Gesetzesänderung nicht mehr möglich sein, abgebrannte Brennelemente ins Ausland zu transportieren, könnte dafür die Bundesregierung nicht ohne weiteres verantwortlich gemacht werden.

Mit dem von der Regierung geplanten Stop der Wiederaufbereitung durch eine Atomgesetznovelle müssen die Kraftwerksbetreiber anderweitig einen Nachweis über den sicheren Verbleib der abgebrannten Brennelemente liefern. Dies läuft auf eine direkte Endlagerung hinaus. Die abgebrannten Brennelemente werden bei der direkten Endlagerung sofort als Abfall klassifiziert. Die Wiederaufbereitung entfällt. Nach einer Naßlagerung über sieben Jahre in Abklingbecken der Kraftwerke werden die Brennelemente zwischengelagert. Nach mehreren Jahrzehnten werden sie konditioniert, das heißt für den Transport und die Zwischenlagerung präpariert und verpackt. Anschließend erfolgt die Endlagerung.

Die Lagerkapazität in den Abklingbecken der 19 betriebenen Kraftwerke ist begrenzt. Bei einem fiktiven sofortigen Stop der Wiederaufbereitung wären die Kapazitäten in sechs Kraftwerken noch in diesem Jahr ausgeschöpft. Als Ausweg haben Regierung und Energieversorger die Errichtung von Zwischenlagern direkt bei den Kernkraftwerken und die Beibehaltung der Wiederaufbereitung in einem zeitlichen Rahmen, der technisch notwendig ist und nicht näher bestimmt wurde, ins Auge gefasst.



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