Entfremdung
In der Wirtschaftssoziologie:
alienation, [1] allgemein Bezeichnung für den Prozess, in dem eine Beziehung oder ein Verhältnis zu einer Sache, einer Situation, einem Menschen oder einer sozialen Gruppe zerstört wird oder verlorengeht, und für das Ergebnis dieses Prozesses. Als Synonyma werden z.T. fälschlich verwandt: Entäusserung, Vergegenständlichung, Verdinglichung, Entwirklichung, Alienation und Reifikation.
[2] Bei G.W.E Hegel bezeichnet Entfremdung die Form der Entäusserung, bei der ein Teil der Entzweiung zum Ganzen gemacht wird. So führt die Aufklärung zur E., wenn der dialektische Widerspruch zwischen subjektiv und objektiv durch die Absolut-Setzung des Verstandesprinzips aufgehoben scheint; so wird die Entäusserung der Arbeit des tätigen Subjekts zur E., wenn das bewirkte Objekt nicht mehr in Beziehung zum Inneren des Subjekts steht, ihm etwas Fremdes, Selbständiges wird.
[3] Der Begriff Entfremdung wird in der marxistischen Theorie ins Passive und Historische gewendet: Entfremdung ist der Ausdruck einer bestimmten historischen Situation, die sich durch kapitalistische Produktion, durch Klassenspaltung und Lohnarbeit auszeichnet. Alle möglichen Formen der Entfremdung sind Folgeerscheinungen der ökonomischen Entfremdung bzw. der Entfremdung der Arbeit im kapitalistischen Produktionsprozess. Die Entfremdung der Arbeit besteht darin, dass der Gegenstand der Arbeit, das Arbeitsprodukt, für den Lohnarbeiter zu etwas Fremdem, Äusserlichem, zu einer Ware wird, das der Arbeiter für einen anonymen Markt schafft. Die kapitalistische Lohnarbeit entfremdet den Arbeiter aber nicht nur vom Produkt seiner Tätigkeit, sondern von der Tätigkeit selber. Entfremdung meint also nicht nur das Verhältnis des Arbeiters zum Produkt der Arbeit, sondern zugleich das Verhältnis der Arbeit zum Akt der Produktion. Beide Aspekte führen dazu, dass der Arbeiter sich von sich selbst entfremdet, dass er einem anderen Menschen gegenübersteht, wenn er sich selbst gegenübersteht. „Der Arbeiter fühlt sich erst ausser der Arbeit bei sich und in der Arbeit ausser sich“ (K. Marx). Erst mit der Aufhebung der ökonomischen Entfremdung in der sozialistischen Revolution sind auch die religiösen, die ideologischen und die politischen E.en, die in der kapitalistischen Gesellschaft herrschen, beseitigbar.
[4] Von positivistischer Seite wird der E.sbegriff seiner historischen und gesamtgesellschaftlichen Dimensionen beraubt (R. König, Entfremdung Topitsch, R.K. Merton) und als anomisches Verhalten operationalisiert: Der bekannteste Versuch stammt von M. Seeman (1959), der fünf Erscheinungsweisen von Entfremdung unterscheidet: das Gefühl der Machtlosigkeit, das Gefühl der Sinnlosigkeit, die Situation der Normlosigkeit, die Situation der Isolierung und die Selbst-E.
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