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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Steuerschätzung

Die zweimal jährlich vorgenommene Schätzung der zu erwartenden Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden durch ein Expertengremium. Die Steuerschätzungen sind Grundlage der Haushaltsplanungen der Gebietskörperschaften in Deutschland. Neben der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung sind die jeweils geltenden Steuergesetze die wichtigste Grundlage für die Schätzung der zu erwartenden Steuereinnahmen. Geplante aber noch nicht verabschiedete Gesetze, vorgesehene Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen gehen nicht in die Prognose ein.

Die Steuerschätzung findet zweimal im Jahr durch einen Arbeitskreis statt, der jeweils im Mai und im Oktober tagt. Sie liefert die wichtigsten Daten für die Haushaltsplanungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Dies geschieht auf der Grundlage der Vorarbeiten von 27 verschiedenen Institutionen, die jeweils für ihren Bereich und aus ihrer Sicht das Datenmaterial zusammenstellen. Aus diesem Material wird dann eine gemeinsame Prognose erstellt. Das Verfahren ist langwierig, weil über jede Zahl so lange beraten wird, bis Einvernehmen herrscht.

Die Hauptschätzung erfolgt im Mai. Sie liefert die Grundlage für die Haushaltsgespräche der darauffolgenden Wochen. Sie ist auch die Basis für die Aufstellung des Finanzplans für die nächsten vier Jahre, zu dem die Finanzminister im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung gesetzlich verpflichtet sind. Die Oktober-Schätzung dient der Korrektur. Der Bundeshaushalt, der Finanzplan sowie die Länderhaushalte sind dann noch in der Beratungen. Vor der endgültigen Verabschiedung können die Haushaltsansätze auf der Grundlage der aktuellen Steuerschätzung daher noch verändert werden. Der halbjährliche Abstand der Schätzung soll eine rasche Anpassung der Daten an eine sich möglicherweise ändernde konjunkturelle Lage oder veränderte Steuergesetze ermöglichen. Durch dieses Verfahren soll so weit wie möglich verhindert werden, dass während des Haushaltsjahres größere Änderungen bei den Ausgaben erforderlich werden.

Die Experten tagen jeweils zweieinhalb Tage und bemühen sich um eine möglichst realistische Voraussage über die zu erwartenden Steuereinnahmen. Damit es nicht zu politisch einseitig ausgerichteten Ergebnissen kommt oder Wunschvorstellungen in die Prognose einfließen, ist der Arbeitskreis aus Vertretern aller betroffenen Gruppierungen und Institutionen zusammengesetzt. Neben Vertretern des Bundesfinanzministerium und des Bonner Wirtschaftsministerium gehören ihm Experten der 16 Bundesländer, des Deutschen Städtetages, der Bundesbank, der sechs unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitute, des Sachverständigenrates zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und des Statistischen Bundesamts an. Der Vertreter des Bonner Finanzministeriums leitet die Sitzung.

Das Ergebnis soll auf diese Art parteipolitisch unabhängig sein und wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Überdies soll der Kreis die föderale Ordnung der Bundesrepublik widerspiegeln. So sollen Daten erarbeitet werden, die als Basis für die Aufstellung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden dienen können und politisch unangreifbar sind. Das Ergebnis der Steuerschätzungen wird daher auch unverändert in die Haushalte übernommen.

Das gilt auch dann, wenn der Bundesfinanzminister oder die Länderminister aufgrund ihrer internen Prognosen zunächst zu anderen Ergebnissen gekommen sind und die Steuereinnahmen optimistischer oder pessimistischer einschätzen als der Arbeitskreis. Das bedeutet natürlich nicht, dass die offizielle Steuerschätzung in jedem Fall dem späteren realen Ergebnis am nächsten kommt. Denn wie jede ökonomische Prognose muss auch die Steuerschätzung mit Annahmen über die konjunkturelle Entwicklung, über Inflations- und Arbeitslosenzahlen oder die weltwirtschaftliche Entwicklung arbeiten. In allen diesen Bereichen kann es immer wieder zu Abweichungen nach oben oder unten kommen.

Überdies muss immer von der zum Zeitpunkt der Schätzung bestehenden Gesetzeslage ausgegangen werden. Änderungen im Steuerrecht, die vom Gesetzgeber noch nicht endgültig verabschiedet sind, dürfen bei der Prognose nicht berücksichtigt werden. Schließlich besteht immer die Möglichkeit, dass das Parlament sich doch noch anders entscheidet und höhere steuerliche Belastungen beschließt als ursprünglich geplant - oder umgekehrt die Bürger im Zuge einer Reform stärker entlastet. Die Folgen solcher Änderungen können erst bei der nächsten Steuerschätzung eingearbeitet werden. Auch deshalb gibt es zwischen den halbjährlich vorgelegten Steuerprognosen oft größere Abweichungen, die aber aus den genannten Gründen die Fachleute nicht überraschen. Wenn beispielsweise eine Steuersenkung vorgesehen aber noch nicht endgültig verabschiedet war, sind die damit verbundenen staatlichen Mindereinnahmen programmiert und politisch gewollt. Finanzpolitisch und gesamtwirtschaftlich bedeutsamer sind Änderungen bei den Steuereinnahmen, die auf unerwartete Konjunktureinbrüche zurückzuführen sind.



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