Saint-Simonismus
In der Wirtschaftssoziologie:
Bezeichnung für die von den Schülern und Nachfolgern des französischen Sozialphilosophen C.-H. de Saint-Simon (1760-1825) entwickelte Lehre, die im wesentlichen auf einer Systematisierung und Fortentwicklung der Gedanken Saint-Simons basiert. Die geschichtsphilosophische Unterscheidung von theologisch-militärischen, metaphysisch-juristischen und wissenschaftlich-industriellen Epochen wird ergänzt durch die Unterscheidung von harmonisch-religiös geordneten Stadien und egoistisch-kritisch-anarchischen Stadien. Das endgültige Stadium der Menschheitsgeschichte wird den Egoismus der Konkurrenz in der liberalen Wirtschaft ebenso beseitigen wie die politische Willkürherrschaft der wirtschaftlich rückständigen und unproduktiven Klassen über die produktiven Klassen. Die Gegensätze zwischen den Kapitalisten und Proletariern werden durch die Abschaffung des individuellen Erbrechts, durch die Verstaatlichung der Produktionsmittel, durch die leistungsgerechte Vergütung aller Arbeiten sowie durch die staatliche Erziehung und Ausbildung im Sinne des Sittengesetzes und der Berufsgliederung beseitigt. Die Lenkung der Produktion liegt bei einem zentralen Rat hervorragender Vertreter von Wissenschaft und Wirtschaft unter Führung der Banken. Die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung vermittels Erziehung, Moral und Religion obliegt den Priestern, die zugleich Wissenschaftler sind. Während die „Darstellung der Lehre Saint-Simons“ (1828/29-1830) in Form von Vorlesungen noch gemeinsam von den Anhängern verfasst und herausgegeben wird, kommt es nach 1831 zum Streit zwischen S.-A. Bazard (1791-1832), der die aufklärerisch-kritischen Dimensionen des S.-Saint-Simonismus betont, und B.-P Enfantin (1796-1864), der romantisch-schwärmerisch für die Abschaffung der Einehe, die völlige Emanzipation der Frau und die Regelung der geschlechtlichen Beziehungen durch die Priester eintritt. In der Folge wird vor allem die friedliche Umwandlung der kapitalistischen Klassengesellschaft in einen staatlich zu fördernden, religiös fundierten Genossenschaftssozialismus propagiert (P. Lerroux, C. Pecqueur, P.B. Buchez).
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