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über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Gentechnik

Unter Gentechnik versteht man technische Verfahren zur gezielten Veränderung des Erbgutes von Organismen. Nutzenbringende Anwendungsbereiche sind in der Medizin, Landwirtschaft und im Umweltschutz zu finden. Das oft diskutierte Gefahrenpotential liegt in dem Risiko der unkontrollierten Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen. Die tatsächliche Gefährdung der Umwelt ist aufgrund fehlender Erfahrung kaum vorherzusagen und nicht auszuschließen. In der sozialistischen Wirtschaftslehre: Methoden zur gezielten Veränderung sowie Übertragung von Erbmaterial (DNA). Gentechnik wird vor allem in der Lebenmittelindustrie angewandt und weiterentwickelt. Ziel ist es, lagerfähigere und billiger zu produzierende Ware auf dem Markt zu bringen. In der Diskussion über die Möglichkeiten der Gentechnik geht es auch um die Verbindung mit der Produktionskraft Mensch, dies bedeutet, die gentechnische Gestaltung des Menschen in Anbindung an die Ziele der Produktion. >Agrarpolitik

Als Gene werden die Informationseinheiten im Erbgut jedes Lebewesens bezeichnet, die für ein Erbmerkmal verantwortlich sind. Gentechnik bezeichnet alle künstlichen Veränderungen im Erbgut von lebenden Zellen. Gentechnische Methoden finden Anwendung in vielen verschiedenen Bereichen. Dazu gehören beispielsweise Medizin und Pharmazie, Lebensmitteltechnologie, Landwirtschaft und Kriminalistik. Immer geht es darum, Erbmerkmale zu entschlüsseln oder bekannte Erbmerkmale in gewünschter Weise zu verändern.

Der Mönch Gregor Mendel (1822-1884) gilt als Entdecker der "Vererbungslehre". Im Garten des Klosters in Brünn, Österreich, kreuzte er verschiedene Erbsen- und Bohnensorten. Dabei entdeckte er, dass sich Merkmale von Generation zu Generation nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten weitervererben. In der Folge interessierten sich Wissenschaftler dafür, wie die "Substanz", die für Erbmerkmale verantwortlich ist, beschaffen sei, und nach welchen Regeln sie bei der Ausprägung der Merkmale arbeitet.

1962 wurde der Nobelpreis für Medizin verliehen für die Entwicklung einer Modellvorstellung von der Erbsubstanz aller Lebewesen. Sie erklärt, wie diese Substanz chemisch aufgebaut ist, und wie die Vererbung von Merkmalen funktioniert. Das Modell wurde nach den Entdeckern Watson-Crick-Modell der DNS genannt. (DNS steht für Desoxyribonukleinsäure, eine Beschreibung der chemischen Bausteine, die die Erbsubstanz bilden.)

Seither nehmen die Kenntnisse über das Erbgut der Lebewesen rasant zu. Das besondere Interesse der Wissenschaftler gilt den einzelnen Informationseinheiten der Erbsubstanz, die jeweils für bestimmte Merkmale verantwortlich sind, den Genen. Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, die Gene von Bakterien, Hefen und anderen Organismen zu entschlüsseln. In internationaler Zusammenarbeit erforscht man auch das menschliche Erbgut und hält alle Gene in einer Art "genetischer Bibliothek" fest. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das menschliche Genom bis zum Jahr 2005 komplett kartiert sein wird, also dass man das Erbgut bis dahin "gelesen" haben wird. Allerdings wird auch dann erst von einem Bruchteil der Gene bekannt sein, welche Bedeutung sie haben und für welche Merkmale sie nun zuständig sind.

Die Kenntnis der Gene und ihrer Funktion ist die Grundlage dafür, dass sich mit den Methoden der Gentechnik Erbgut gezielt manipulieren lässt.

Beispiel Medizin:

Eine Reihe von Erbkrankheiten lassen sich auf Defekte in einzelnen Genen zurückführen. Die Hoffnung der Wissenschaftler ist, dass sich durch die Aufklärung der Krankheitsursachen und durch das Wissen darüber, welcher Defekt vorliegt, künftig Therapien entwickeln lassen. Mit Hilfe der Gentechnik - so die Vorstellung - könnten sich "gesunde" Gene in kranke Zellen einschleusen lassen. Diese "Gen-Therapie" wurde bisher schon bei einigen wenigen Erkrankungen und einzelnen Patienten ausprobiert. Bahnbrechende Erfolge konnten bis heute aber damit nicht verzeichnet werden.

Beispiel Pharmazie:

Die pharmazeutische Industrie nutzt Gentechnik, um bestimmte Medikamente herzustellen. Bekanntestes Beispiel dafür ist das Hormon Insulin. Diabetiker sind auf die Zufuhr dieses Hormons von außen angewiesen. In herkömmlicher Weise wird das Präparat aus Bauchspeicheldrüsen von Schweinen gewonnen. Doch das Gen für dieses Hormon wurde schon vor vielen Jahren isoliert und in Bakterienzellen eingeschleust. Heute wird Insulin in großen Mengen von den so manipulierten Bakterien produziert. Sie haben die Verarbeitung von Bauchspeicheldrüsen in großem Umfang ersetzt.

Ein weiteres Beispiel ist "Faktor VIII", ein Stoff, der zur Blutgerinnung dient. Blutern fehlt die Fähigkeit, diesen Stoff zu bilden. Ein Medikament das - bisher aus Blutkonserven gewonnen - für Betroffene lebensnotwendig ist. Wissenschaftler kennen das Gen, das normalerweise für die Bildung von "Faktor VIII" zuständig ist. Dieses Gen haben sie z.B. in Schafe übertragen. Die bilden nun den gewünschten Stoff und geben ihn mit ihrer Milch ab. Noch genügen die produzierten Mengen nicht zur industriellen Verwertung. Doch es ist ein Schritt auf dem Wege, nicht nur Bakterien, sondern auch höhere Lebewesen zu "Fabriken" zu machen - mit Hilfe der Gentechnik.

Beispiel Lebensmitteltechnologie und Landwirtschaft:

Bakterien und andere Mikroorganismen sind durch Gentechnologie schon in hohem Maße zu "Fabriken" für Lebensmittelzusatzstoffe geworden. Sie bilden z.B. das Enzym Chymosin zur Käseherstellung, Enzyme für die Backwarenindustrie oder Aromastoffe wie Vanillin. Aber die Gentechnik hat auch schon Nutzpflanzen und -tiere verändert. So entstand die "Anti-Matsch-Tomate", die sich länger frisch hält, oder Fische, die schneller wachsen. Genmanipulationen machen Pflanzen widerstandsfähig gegenüber Krankheiten und Schädlingen, aber auch gegenüber Pestiziden. Außerdem lassen sich so Pflanzen züchten, die interessante Inhaltsstoffe in höheren Konzentrationen bilden. Beispiel dafür sind spezielle Kartoffeln, in denen hauptsächlich eine bestimmte Stärke produziert wird. Der Umgang mit solchen neuartigen Lebensmitteln ist in der europäischen "Novel Food-Verordnung" geregelt.

Beispiel Kriminalistik

Gentechnik wird heute auch dazu benutzt, z.B. Straftäter anhand von Blut-, Sperma- oder Speichelproben zu überführen. Jeder Mensch ist anhand seines individuellen "genetischen Fingerabdrucks" zu identifizieren. Geringste Spuren von Zellen, in denen das Erbmaterial enthalten ist, genügen, um das typische Gen-Muster zu entdecken. Proben vom Tatort lassen sich dann - wie herkömmliche Fingerabdrücke - mit dem "genetischen Fingerabdruck" von Verdächtigen vergleichen. Dieses Verfahren wurde auch im Prozess gegen den amerikanischen Football-Spieler O. J. Simpson angewendet.

Den rechtlichen Rahmen im Umgang mit der Gentechnik und gentechnisch veränderten Organismen setzt das Gentechnikgesetz.

Die Gentechnik ist ein Teilgebiet der Biotechnologie. Sie entwickelt Verfahren und Methoden zur Analyse oder gezielten Veränderung von DNA-Sequenzen. Erste Produkte in der Medizin, wie DNA-Chips, Krebs-Medikamente oder Vitamine, werden bereits mit Hilfe von genmanipulierten Bakterien hergestellt. In der Landwirtschaft werden Nutzpflanzen gentechnisch optimiert.. Sie werden durch die gentechnische Manipulation resistent gegen Pilze und Schädlinge. Große Hoffnungen sind zudem mit dem so genannten Biopharming verbunden, der Herstellung von Medikamenten durch gentechnisch veränderte Pflanzen.



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