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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Streuungswerte

Streuungswerte sind wichtige statistische Kennwerte. Sie kennzeichnen die "Bandbreite" von Daten und sind in der Praxis der sozialpolitischen Diskussion von höchster Relevanz, dennoch werden sie fast immer vergessen.

Streuungswerte

In der sozialpolitischen Diskussion werden oft Mittelwerte zur Versachlichung einer Debatte angeführt. So liest man oft, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen in einer Branche so und so viel Euro beträgt oder Rentenempfänger durchschnittlich X Euro erhalten. Doch was sagt das aus? Manchmal recht wenig, wie dieses Gedankenspiel zeigt:

Die ewig klamme Regierungspartei will den Staatssäckel durch eine Sondersteuer von 100 Euro auf jedes geführte Aktiendepot auffüllen. Der Regierungssprecher lässt dazu verlauten: "Es handelt sich hierbei nur um ein kleines Opfer für die Inhaber solcher Depots, denn durchschnittlich lagern dort Sparvermögen von 70.000 Euro". Und schon erscheint die Sondersteuer als nur halb so schlimm, weil die Inhaber solcher Konten ja reich genug seien. Doch was, wenn dieser Durchschnitt durch hundertausende Kleinsparer und einen Multimillionär entstanden ist? Der vom Regierungssprecher angeführte Durchschnitt ist wenig repräsentativ für die vielen kleinen Sparvermögen, deren Besitzer eine Sondersteuer zahlen sollen. Der Multimillionär hat mit seinem einem Aktiendepot den Durchschnitt in die Höhe katapultieren lassen. Die Sondersteuer erscheint in diesem Lichte als weit weniger legitim.

Streuungswerte geben zusätzliche Informationen über die Verteilung von Daten. Sie zeigen auf, zwischen welchen Werten sich Daten bewegen und wie weit sie sich vom Durchschnitt entfernen. Damit sind sie wichtige Zusatzinformationen zu allen Durchschnittseinkommen, -beitragszahlungen, -steuersätzen und sonstigem sozialpolitischen Zündstoff.

Der Range

Der Range ist das am einfachsten zu berechnende Streuungsmaß und kennzeichnet die Differenz zwischen dem größten und kleinsten Meßwert (auch "Spannweite" genannt).

Die Formel:

R = x max - x min

Hätte der Regierungssprecher aus dem obigen Beispiel den Range zwischen dem Depotvermögen des kleinsten Sparers (z.B. 1.000 Euro) und dem des Millionärs (6 Millionen) angegeben, hätte er sich auf bohrende Nachfragen seitens der Journalisten einstellen können.

Die durchschnittliche Abweichung

Der Range allein reicht aus, um die Extremwerte zu kennzeichnen, sagt aber wenig über die Verteilung der Daten rund um das arithmetische Mittel aus. So könnte es sein, dass es zwei Extremwerte gibt, die weit ab vom Mittelwert ihr Dasein fristen, aber der Rest der Daten sich um den Mittelwert gruppieren (Beispiel: Die Putzfrau eines Unternehmens verdient 250 Euro im Monat, der Chef 20.000 Euro und die restlichen 30 Beschäftigten jeweils 2.750 Euro). Sinnvoll ist hier aufzuzeigen, um wie viele Maßeinheiten (Euros, Urlaubstage, Rentenentgeltpunkte etc.) die Daten durchschnittlich vom Mittelwert abweichen. Wissenschaftlich präzise ausgedrückt: Die durchschnittliche Abweichung ist das arithmetische Mittel der absoluten Abweichungen aller Meßwerte vom arithmetischen Mittel des Datensatzes. Ist die durchschnittliche Abweichung vom Mittelwert klein, gruppieren sich die Daten rund um den Mittelwert. Dieser gewinnt dadurch an Aussagekraft. Streuen die Daten aber weit, ist die durchschnittliche Abweichung hoch und die Aussagekraft des arithmetischen Mittels für viele Diskussionen gering.

Bezogen auf das obige Beispiel aus dem Unternehmen ergibt sich eine durchschnittliche Abweichung von rund 1.0034 Euro. Verzichtet der Chef auf 8.000 Euro Monatsgehalt und verteilt diese über Gehaltserhöhung zu 200 Euro auf die 30 Mitarbeiter und stellt die Putzfrau fest zu einem Monatsgehalt von 2.250 Euro ein, sinkt die durchschnittliche Abweichung auf fast 566 Euro. Das arithmetische Mittel - der Durchschnitt - bleibt unberührt bei rund 3.211 Euro. In diesem Fall sind die Gehälter "gleichmäßiger" verteilt.

Standardabweichung und Varianz

Die Varianz ist definiert als die Summe der quadrierten Abweichungen aller Messwerte von ihrem arithmetischen Mittel, geteilt durch die Anzahl der Daten. Sie unterscheidet sich von der durchschnittlichen Standardabweichung also nur durch das Quadrieren. Die Standardabweichung ist wiederum die Quadratwurzel aus der Varianz.

Der einzige Grund, warum diese beiden sehr abstrakten Streuungswerte hier Erwähnung finden, ist, dass diese in der Wissenschaft weitaus öfters verwendet werden als die durchschnittliche Standardabweichungen. Die Aussage dieser Kennwerte ist dieselbe, sie bietet lediglich mathematische Vorteile bei weiteren Berechnungen, auf die hier nicht eingegangen werden muss.

Fazit: Lassen Sie sich nicht allzu sehr von Durchschnittswerten blenden, wichtig ist oft auch die Verteilung der Daten. Erst wenn die durchschnittliche Abweichung gering ist, erhält das arithmetische Mittel Aussagekraft. Argumentiert der Chef zum Beispiel bei der nächsten Gehaltsrunde mit einem hohen Durchschnittsteinkommen im Betrieb, fragen Sie ihn doch mal nach dem "Range" oder der "durchschnittlichen Abweichung".



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