Hermeneutik
In der Wirtschaftssoziologie:
Lehre von der Auslegung von Texten sowie von nicht-sprachlichen Kulturäusserungen, entstand zunächst in der Theologie, Jurisprudenz und Geschichtswissenschaft. Unter den vielen Spielarten der Hermeneutik lassen sich zwei Gruppen bilden: Hermeneutik als Kunstlehre, als Auslegungsmethode in den Geisteswissenschaften, und andererseits die philosophische H., in der sich Elemente der Lebensphilosophie, Phänomenologie, Sprachphilosophie, kritischen Theorie und des Existentialismus finden und die sich z.T. als Erkenntnistheorie versteht. In unterschiedlichem Masse werden dabei u.a. folgende Punkte als Aufgaben der Hermeneutik angesehen: a) inter-pretative Klärung von Grundbegriffen; b) Verstehen eines Textes und seiner Bedeutung aus seiner Zeit heraus, unter Berücksichtigung von Situation, Motivation und Intention seines Verfassers; c) die Erfassung des „absoluten Geistes“, des Anteils an einer überzeitlichen Wahrheit, der sich in der fraglichen Epoche geäussert hat und vom Text (häufig nur verborgen) übermittelt wird; d) Offenlegung des Sinns, den ein Text für den Interpreten und seine Zeit hat, d.h. eine normative Anwendung der überlieferten Wahrheit; e) insbesondere in der von der kritischen Theorie beeinflussten Hermeneutik die Hineinnahme einer lebensweltlich eingebetteten Subjekt-Objekt-Dialektik in die sozialwissenschaftliche Methodendiskussion. Man folgt dabei in jedem Fall dem „hermeneutischen Zirkel“, mit dem sowohl der wechselseitige Beeinflussungsprozess zwischen dem Subjekt und einem unter ständig neuen Gesichtspunkten zu verstehenden, gelegentlich als „Du“ begriffenen Objekt gemeint ist als auch eine iterative Annäherung an den Sinn von Begriff und Text, von Teil und Ganzem (z.B. auch einer Handlung im sozialen Kontext): Das Teil kann nur mit Hilfe einer hypothetischen Annahme über die Bedeutung des Ganzen verstanden werden, das Ganze nur aus der Bedeutung seiner Teile heraus, wobei auch das Ganze wiederum als Teil eines grösseren Ganzen gesehen wird, so dass sich dieser Prozess auf der nächsthöheren Ebene wiederholt. Das adäquate Verständnis ergibt sich nach wiederholtem Durchlaufen des Zirkels. Die Kritik seitens der modernen sozialwissenschaftlichen Methodologie weist auf die Intuition als Grundlage aller Hermeneutik hin sowie auf normative und gelegentlich geschichtsphilosophische Züge der H., die einer Intersubjektivität und Operationalisierung entgegenstehen.
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