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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Aussageverweigerung

Grundsätzlich ist jeder, der als Zeuge vor Gericht steht, verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Ansonsten macht er sich strafbar wegen uneidlicher Falschaussage. Auch eine Verurteilung wegen Meineids mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist möglich, wenn der Zeuge vereidigt wurde. Doch der Gesetzgeber gibt dem Zeugen in bestimmten Situationen das Recht, die Aussage zu verweigern und zwar durch das Zeugnisverweigerungsrecht und das Auskunftsverweigerungsrecht. Diese beiden Aussageverweigerungsrechte sind streng voneinander zu unterscheiden.

Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO (Strafprozessordnung) steht jedem Zeugen zu. Er darf die Beantwortung 3 Fragen verweigern, wenn zu befürchten ist, dass er oder ein naher Angehöriger dadurch wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt wird. Das Recht ist auf die Beantwortung einzelner, verfänglicher Fragen beschränkt. Dem Zeugen soll so eine Zwangslage erspart werden, denn einerseits deckt er mit seiner Aussage eine eigene Straftat auf, andererseits muss er vor Gericht die Wahrheit sagen.

Das Recht beruht auf dem Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen. Die Vorschrift dient damit dem Schutz des Zeugen und nicht der Wahrheitsfindung. Dem Gericht ist es verboten, Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten daraus zu ziehen, dass der Zeuge sich auf das Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Entsprechendes gilt auch für den Angeklagten, der nicht gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen.

Kein Auskunftssverweigerungsrecht steht dem Zeugen zu, wenn er wegen dieser Straftat bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, weil dann keine Gefahr der Strafverfolgung mehr besteht. (Ausnahme: Die Staatsanwaltschaft hat bereits einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gestellt.) Das gilt auch, wenn das Delikt verjährt ist, die Antragsfrist abgelaufen ist oder wenn der Angehörige, den der Zeuge schützen will, verstorben ist.

Der Zeuge muss über sein Auskunftsverweigerungsrecht ausdrücklich belehrt werden. Versäumt das Gericht die Belehrung, können die Aussagen des Zeugen trotzdem zu Lasten des Angeklagten verwertet werden, da die Vorschrift zwar den Schutz des Zeugen aber nicht des Angeklagten bezweckt. Die Aussage darf allerdings nicht in dem späteren Prozess gegen den Zeugen verwertet werden. Wird der Zeuge nicht belehrt, ist dies kein Revisionsgrund.

Das Zeugnisverweigerungsrecht

Das Zeugnisverweigerungsrecht steht im Gegensatz zum Auskunftsverweigerungsrecht nicht jedem Zeugen zu. Geregelt ist dies für den Strafprozess in den Paragrafen 52 bis 53a StPO. Das Zeugnisverweigerungsrecht steht bestimmten nahen Angehörigen zu, nämlich der Verlobten oder dem Ehegatten des Angeklagten, seinen Verwandten oder Verschwägerten.

Der Sinn des Zeugnisverweigerungsrechtes für Angehörige ist, dass ihnen der Konflikt zwischen Wahrheitspflicht und Verwandtenliebe erspart werden soll. Es ist nicht verhältnismäßig, wegen einer erzwungenen Aussage in die Intimsphäre einer Familie einzudringen, zumal die Familie unter dem besonderen Schutz des Staates steht.

Sind in einem Prozess mehrere Personen angeklagt, darf der Zeuge seine Aussage gegen alle verweigern, auch wenn er nur mit einem verwandt ist, denn wer gegen die anderen aussagen muss, belastet vielleicht seinen Angehörigen mit.

Der Zeuge ist auch hier über sein Recht zu belehren. Im Gegensatz zum Auskunftsverweigerungsrecht ist eine unterlassene Belehrung hier ein Revisionsgrund nach § 337 StPO. Das gilt auch dann, wenn das Gericht nur versehentlich versäumt hat, den Zeugen zu belehren. Die Zeugen dürfen ihren Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht jederzeit widerrufen. Erklärt ein zunächst aussagebereiter Zeugnisverweigerungsberechtigter während der Vernehmung, nicht weiter aussagen zu wollen, so darf das bisher Ausgesagte allerdings im Prozess verwendet werden. Nach Beendigung der Aussage darf der Verzicht auf die Zeugnisverweigerung nicht mehr widerrufen werden. Umgekehrt ist ein Zeuge, der zunächst die Aussage verweigert hat, nicht an seine Erklärung gebunden und kann jederzeit aussagen.

Ein beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht gibt es z.B. für:

  • Geistliche
  • Journalisten
  • Rechtsanwälte und Notare
  • Mitglieder des Bundestages oder Landtages
  • Steuerberater
  • Ärzte, Apotheker und Hebammen

Zeugnisverweigerungsrecht im Zivilprozess

Auch im Zivilprozess gibt es ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Zeugen. Er kann es entweder aus persönlichen oder aus sachlichen Gründen geltend machen. Persönliche Gründe sind auch in diesem Fall Verwandtschaft oder die Zugehörigkeit zu den genannten Berufsgruppen mit Ausnahme der Bundes- und Landtagsabgeordneten.

Wie im Strafprozess muss der Zeuge die Gründe glaubhaft darlegen, die ihn berechtigen, sein Zeugnis zu verweigern. Danach hört der Richter sich an, was die Parteien dazu sagen und fällt ein Zwischenurteil. Ist eine der Parteien mit dem Urteil nicht einverstanden, kann es das mit einer sofortigen Beschwerde anfechten. Entscheidet das Gericht sich gegen ein Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen, muss er aussagen. Tut er das nicht, werden ihm die durch die Weigerung entstehenden Prozesskosten auferlegt. Außerdem verhängt der Richter ein Ordnungsgeld. Im Zivilprozess kann der Zeuge bei bestimmten Fragen die Aussage nicht verweigern.



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