Zinsverbot
Zinsverbote gab es bereits in vorchristlichen Zeiten. So war es beispielsweise Juden verboten, Zinsen von anderen Juden zu nehmen, und auch in Persien galt das Erheben von Zinsen für verwerflich. Wichtigster Vordenker des späteren kanonischen (kirchlich anerkannten, in Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht stehenden) Zinsverbot war jedoch Aristoteles, der schrieb, es sei »erst recht der Wucher hassenswert, der aus dem Gelde selbst den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld da ist. Denn das Geld ist um des Tausches willen erfunden worden, durch den Zins vermehrt es sich aber durch sich selbst. (...) Diese Art des Gelderwerbes ist also am meisten gegen die Natur.« Auch die Kirchenlehrer Ambrosius, Hieronymus und Augustinus verurteilten in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung das Nehmen von Zinsen. »Einem Besitzenden brauchst du überhaupt nichts zu leihen; wie kannst du also von einem Armen fordern, gleich als hättest du mit einem Reichen zu tun?«, heißt es dazu bei Hieronymus.
Im Jahre 306 faßt die Synode von Elvira den Beschluß, sowohl Angehörigen des Klerus als auch Laien zu verbieten, Zinsen zu nehmen. Exkommunikation droht jedem, der dieses Zinsverbot mißachtet. Die Konzilien von Arles (314) und von Nikaia (325) befassen sich ebenfalls mit dem kanonischen Zins verbot und fassen weitere Beschlüsse dazu. 443 erläßt Papst Leo III. Strafbestimmungen für wuchertreibende Geistliche, und mit den Kapitularien Karls des Großen, in den Jahren 806 und 813 verfaßt, werden auch Strafen für den Wucher der Laien bestimmt. »Usura est ubi requiretur, quam detur«, heißt es nunmehr: »Wucher ist, wo mehr zurückgefordert als gegeben wird.« Und bei Thomas von Aquino (1225-1274) ist zu lesen: »Zins zu nehmen für geliehenes Geld, ist an sich ungerecht: denn da wird verkauft, was es nicht gibt...«
Anfang des 16. Jahrhunderts beginnt das kanonische Zinsverbot zu bröckeln. In der kaufmännischen Praxis gibt es längst Kreditgeschäfte, aber ab 1525 (Trier) wird die Verzinsung von Darlehen auch in einzelnen deutschen Ländern und Städten (Kursachsen, Mecklenburg, Nürnberg) per Gesetz erlaubt. Und im Jahre 1543 erteilt Kaiser Karl V. erstmals niederländischen Kaufleuten die Erlaubnis, Geld gegen Zinsen zu verleihen. (Immerhin ist Karl V. ja auch durch Darlehen der Fugger überhaupt Kaiser geworden.) Diese kaiserliche Zustimmung zum Erheben von Zinsen ist ein Meilenstein der Geldgeschichte. Allerdings gibt es auch weiterhin erhebliche religiöse Widerstände gegen das Zinsgeschäft. In den Niederlanden dürfen Bankiers und ihre Familienangehörigen auf Beschluß der Generalsynode der calvinistischen Kirche (1581) nicht am Abendmahl teilnehmen. Für die Angehörigen gibt es eine Ausnahme: Sie müssen sich vom Bankiersberuf öffentlich distanzieren. Doch trotz aller moralischen Bedenken ist der Siegeszug des Kreditsystems nicht aufzuhalten. Auch im islamischen Recht, also in der Scharia, gibt es ein Zinsverbot.
In der christlichen Morallehre des Mittelalters war das Verlangen und Nehmen von Zinsen verboten, ein Verbot, das durch findige Kaufleute jedoch weitgehend umgangen werden konnte. Auch erlaubt die islamische Lehre generell nicht das Nehmen und Zahlen von Zinsen. Ferner besteht ein Zinseszinsverbot des BGB.
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