Rätedemokratie
In der Wirtschaftssoziologie:
Rätesystem, demokratische Herrschaftsform, besser: Herrschaftsmodell (denn bislang ist Rätedemokratie noch nicht umfassend und auf Dauer institutionalisiert worden). Merkmale: Basis sind die nach Arbeitstätigkeit (Betriebe) oder Wohngebieten (auch Militäreinheiten) zusammengefassten Wähler, die Zuständigkeit haben für alle gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen, juristischen usw. Fragen. Sie wählen Räte (für einen Betrieb, eine Gemeinde o.a.), die wiederum übergeordnete Räte (für eine Region, eine Branche, einen Staat) wählen. Die Gewählten sind an Aufträge gebunden, jederzeit abwählbar; Diskussion und Beschlussfassung sind öffentlich, alle Gewalt liegt bei den Räten. In der Pariser Kommune, den russischen Revolutionen 1905 und 1917, der deutschen Revolution 1918, im Prager Frühling 1968 und bei anderen Gelegenheiten hat Rätedemokratie (Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte) eine wichtige Rolle gespielt als Ausdrucksform der mobilisierten Basis. Gewissermassen zurückgeschnittene Nachfolger von Rätedemokratie sind die Betriebs- und Personalräte und die Arbeiterkammern, nur noch entleerte Formen waren die Sowjets (= Räte) der Sowjetunion (weil prinzipiell unverträglich mit dem leninistischen Zentralismus). In einigen Merkmalen ähnelt Rätedemokratie auch berufsständischen bzw. korporativstaatlichen Modellen.
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